Wenn´s drauf ankommt

Wir sind Entwicklungspartner von EDELRID

Was ist ein Klettersteig?

Ein Klettersteig ist ein mit Stahlseilen gesicherter Kletterweg am Fels. Damit können immer schwierigere Routen für Nicht-Kletterer begehbar gemacht werden. Heute hat sich das Begehen von Klettersteigen zu einer eigenen alpinen Disziplin weiterentwickelt.
Das in einen Klettersteig eingebrachte Eisen dient einerseits der Fortbewegung, andererseits der Selbstsicherung mit einem sogenannten Klettersteigset. Die italienische Bezeichnung für Klettersteig ist Via Ferrata, was wörtlich Eisenweg bedeutet und den Charakter gerade moderner Klettersteige sehr gut beschreibt. Im Alpenraum gibt es weit über 1500 Klettersteige, davon entfallen gut 500 auf Österreich, wo pro Jahr im Schnitt zehn neue Steige errichtet werden

Woraus besteht ein Klettersteigset?

In einem Klettersteig erfolgt die Sicherung durch ein Klettersteigset. Das System besteht aus 2 elastischen Armen und daran befestigten Karabinern. Diese beiden Elastarme sind an einem kleinen Päckchen befestigt, dass durch eine Gurtschlaufe am Klettergeschirr des Steiggehenden befestigt ist. Das kleine Päckchen enthält einen Bandfalldämpfer, der im Fall eines Sturzes die Folgen der Bremsung auf den Körper lindern soll. Die Elastarme dienen dazu, dass man mit geringem Kraftaufwand die Karabiner im Stahlseil umhängen kann, ohne dass ein langes Stück Gurt oder Schnur herumbaumelt, das zu Unfällen führen kann. Voraussetzung für die Funktion eines Klettersteigsets ist, dass einer der beiden Karabiner immer am Sicherungsseil eingehängt ist.

Herausforderung bei der Entwicklung der Elastarme?

Die Elastarme müssen eine Mindest-Reißfestigkeit haben um die bei einem Sturz die Kräfte die bei der Sicherung auftraten, abgefangen können. Die Mindestfestigkeit im vernähten Zustand beträgt 16 kN. Gleichzeitig müssen sich die Arme um 100 % elastisch dehnen lassen. Die Festigkeit des Arms darf nach 50.000-mal Ausdehnen muss noch mindestens 12 kN betragen um zu vermeiden, dass durch Nutzung die Funktionsfähigkeit des Klettersteigsets gefährdet wird. Darüber hinaus sind Scheuerbeständigkeit, Optik und geringes Gewicht Anforderungen an das Produkt.

Anforderungen an Bandfalldämpfer
Ungleich größer und komplexer sind die Herausforderungen bei der Entwicklung des Bandfalldämpfers. Dämpfung des Falls für Kinder oder zierlichen Personen genauso gewährleisten wie eines schweren Kletternden. Deshalb ist der maximale Impact auf den Körper begrenzt, wobei gleichzeitig die Sturzhöhe – d.h. der maximale Bremsweg – begrenzt ist. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass das System unter dynamischen Bedingungen funktionieren muss und auch so geprüft wird. Das dynamische Verhalten hat mit dem statischen Verhalten der Materialien und Komponenten sehr wenig gemeinsam. Die Komplexität der Entwicklung wird durch einen Mangel an Wissen über das Verhalten bei dynamischer Belastung genauso erschwert wie durch zusätzliche Einflussfaktoren, z.B. die enorme Wärme die beim Öffnen entsteht.

Wie funktioniert ein Bandfalldämpfer?

Ein Autosicherheitsgurt dämpft den Aufprall indem das verwendete Gurtband eine definierte Dehnung hat. Das funktioniert beim BFD nicht. Hier sind deutlich längere Bremswege erforderlich, die sich über Fadendehnung nicht realisieren lassen. Auch ein elastisches Element wie ein Bungy-Seil sind ungeeignet, da man zurückfedert, was so nah am Fels eine immense Gefährdung bedeutet. Deshalb hat man in den Anfängen 2 Gurtlagen zusammengenäht und den Sturz durch Trennen der Lagen bremst. Das Prinzip ist bis heute das selbe. Nur das aktuell die Lagen miteinander verwoben werden. D.H. es werden gleichzeitig 2 Gurtlagen gewebt und im gleichen Prozess miteinander verbunden.

Über die Intensität der Verbindung kann das Aufreissverhalten bzw. die Bremskraft beeinflusst werden. Je mehr Fäden die Lagen verbinden, desto mehr Sturzenergie kann durch Trennen der Lagen vernichtet und so der Bremsweg verkürzt werden. Die Anzahl der Verbinderfäden kann aber nicht beliebig erhöht werden. Nicht nur weil es Normvorgaben für die maximale Bremskraft gibt, sondern auch weil die Bruchfestigkeit der Trägergewebe die Anzahl begrenzt. Dabei ist nicht die Längsfestigkeit des Bandes der wesentliche Faktor, sondern die Querfestigkeit des Schussfadens um die auftretenden Scherkräfte aufnehmen zu können.

Welche Vorgaben gibt es für Bandfalldämpfer?

Die wichtigsten Kriterien kommen aus der Norm für Klettersteigsets (EN 985/2017). Bei einem Fall aus 5 Metern Höhe, darf der maximale Peak, also die maximale Bremskraft bei einem 40 kg schweren Gewicht 3,5 kN nicht überschreiten. Der gleiche Test wird mit einem 120 kg Block gemacht. Dabei ist der maximal zulässige Bremsweg 2220 mm und der Peak darf 6 kN trocken bzw. 8 kN nass nicht übersteigen. Nach der Sturzprüfung wird Restbruchkraft der Trägerbänder geprüft. Diese muss den Vorgaben der Norm mindestens 12 kN betragen. Ein Sturz aus 5 Meter Höhe mit 5 kg lässt sich nicht simulieren. Diese Prüfungen können nur in normgerechten Falltürmen gemacht werden. Neben der Einhaltung der Normkriterien war der Wunsch des Kunden den Falldämpfer so klein und leicht zu machen, dass das Päckchen in dem das Band verpackt ist, so kompakt wie möglich wird.

Wo sind die Schwierigkeiten der Entwicklung

Im Laufe der Entwicklungszeit von fast 2 Jahren und weit über 50 Mustern mit unterschiedlichen Materialien, Fadenzahlen, Gurtkonstruktionen, Verbindungsmustern haben wir einiges gelernt. Viele Ideen, die auf den statischen Eigenschaften von Materialien beruhten, haben sich im dynamischen Versuch als falsch erwiesen. Denn es ist ein Riesenunterschied, ob ich den maximal zulässigen Bremsweg von 220 cm mit einer Reißprüf-Anlage in 2 Minuten oder im Fallturm in 0,4 Sekunden aufreiße. Da es nur sehr wenig Erkenntnisse zum dynamischen Verhalten gibt, wurden alle Erkenntnisse durch Trial-and-Error erzielt. Oft waren die Testergebnisse widersprüchlich und folgten keiner Logik. Jede Musterung mit anschließenden Tests war wie das Öffnen einer Wundertüte.

Welche Hürden wurden gemeistert?

Um die Normbedingungen für einen Sturz mit 40 kg und mit 120 kg Fallgewicht zu erfüllen, kann es nicht eine Art der Lagenverbindung geben. Mit einer Verbinderdichte mit der die 40 kg Prüfung erfüllt wird, kann man sicher auch ein 120 kg Gewicht abbremsen. Aber nicht auf dem maximalen Bremsweg 2220 mm, den die Norm angibt. Wir haben deshalb mehrere Stufen bindungstechnisch entwickelt um die Anzahl der Verbinderfäden zu variieren. Da hier Variationen der Verbindung und die Anzahl der Fäden möglich sind, war das eine Gleichung mit mindestens 2 Unbekannten. Diese Stufen in ihrer Reihenfolge so aufeinander abzustimmen, dass die Kriterien erfüllt sind, macht die Sache nicht einfacher. Zudem mussten wir lernen, dass der Bandfalldämpfer möglichst weich bis zum Ende aufreißt, damit die verbleibende Festigkeit noch entsprechende Werte hat. Denn je höher die Aufreißkräfte desto mehr schädigen wir das Trägergewebe.
Was die Aufgabe zusätzlich erschwert hat, war dass die Fallgeschwindigkeit mit zunehmendem Fallweg abnimmt. Die Fallenergie die vernichtet werden muss, wird immer geringer. Das verändert das Aufreissverhalten gegen Ende zu sehr stark. Die beim Aufreißen der Lagen entstehende Wärme durch das Zerreißen der Fäden und die entstehende Reibung im System beeinflussen das Verhalten zusätzlich.

 

Ritterschlag

Und das Ergebnis ist ….

Ein Klettersteigset, das Maßstäbe setzt im Markt. Es ist eines der Leichtesten und optisch schön. Was uns jedoch am Meisten freut, ist dass es sich gut verkauft. Die Performance des Bandfalldämpfers ist sehr konstant. Das nutzen mittlerweile die Prüfinstitute zur Kalibrierung ihrer Prüfstände. Das sehen wir als Ritterschlag